KUNSTRAUM AM SCHAUPLATZ

In einer ausgesuchten Gegenüberstellung zeigt diese Schau sechs künstlerische Positionen, die sich der Darstellung des menschlichen Körpers widmen. In den Medien Fotografie, Malerei und Installation reicht die Bandbreite der Arbeiten von latent bis explizit, von kantig bis samtweich und von Punk bis Poesie. Gemeinsam ist diesen Künstlerinnen und Künstlern ihre jahrzehntelange Verankerung in der Wiener Kunstwelt und ihr äußerst eigenständiges und kraftvolles Werk, das sich in seiner Schaffenslogik realen oder imaginierten Konventionen des Kunstmarkts zu entziehen versteht. Die Ausstellung WIEN – KOERPER – LOS! vereint eine Auswahl überwiegend neuer Arbeiten an einem Ort, um in deren Zusammenspiel neue Impulse frei zu setzen.

Christy Astuys figurative Malerei entführt in verschobene Wirklichkeiten, um gleichzeitig mit fast ikonenhaft anmutenden Elementen wieder visuellen Grund unter den Füßen zu geben. Wenn sie Bild- und Realitätsebenen wechselt, bleiben ihre Werke trotz dieses ontologischen Tauschprozesses intuitiv wahrnehmbar und laden zum Verweilen in einer entrückten Dimension ein.

Ein versiertes Hantieren mit (Be-)Deutungsebenen zeigt sich auch in den Werken von Karl Iro Goldblat: Er entwirft einen ernsten Philosophen in Reizwäsche, skizziert einen Androgyn in lockerer Pose oder zeigt dekonstruierte Schriftkörper, die die BetrachterInnen aufrufen, sie zu ergänzen. Es zieht sich eine feine manieristische Spur durch seine Arbeiten und springt leichtfüßig durch seine rokokohaften Sentenzen.

Untergründige Pfade beschreitet Marcel Houf (CHAOS), der die Hochzeiten der Wiener Punkkultur der 1980er-Jahre aufleben lässt. In einer eigens für diese Ausstellung geschaffenen Installation kombiniert er Plattencover als Zeugen einer Zeit der radikal-körperlichen Exzesse und analog überarbeitete Fotografien von 2013 mit einer klaren Ansage gegen die Vermarktung von Kunst.

Von Terese Schulmeister ist eine Arbeit aus dem Jahr 1985 zu sehen, die in der Sprache der Malerei Autonomisierungs- und Emanzipierungsprozesse greifbar macht. Im Zusammenspiel mit neueren Arbeiten wird der Anspruch ihres Œuvres deutlich, sich gängigen künstlerischen Konventionen weder in Form, Perspektive noch Inhalt zu beugen.

Mit den Werken von Adam Wiener ziehen weitere belebte Körper in den Ausstellungsraum ein: Mischwesen oder Superhelden, wobei in einem vielschichtigen Materialauftrag die Verwobenheit nur scheinbar paralleler Existenzen thematisiert wird: Elemente aus Natur, Kultur und ihren jeweiligen Symbolsystemen verbinden sich in seinen Arbeiten zu einer lebendigen Symbiose.

Wenn Helmut Wolech den Weg über Absperrgitter nimmt und an verborgene Nicht-Orte führt, werden die Grenzen eines sublimierten Kunstdiskurses mit bestechender Direktheit überschritten. In seiner roughen, fast schon minimalistischen Poesie, die seinen Fotografien innewohnt, fängt er Szenen ein, die sonst hinter den Schleiern des Unbewussten hängen bleiben.

Ausgangspunkt für die Auswahl dieser künstlerischen Positionen ist ein künstlerisch-wissenschaftliches Forschungsprojekt, das sich mit Wiener Kunstszenen seit den 1960er-Jahren beschäftigt. WIEN – KOERPER – LOS! ist die erste öffentliche Präsentation der bisherigen Recherchen und gleichzeitig Initial für eine weitere Spurensuche. Diese ästhetisch eigenständige Ausstellung ist als erster Kulminationspunkt konzipiert und soll in einem weiteren Schritt mittels eines vertiefenden Rahmenprogramms neue Erkenntnisse für den parallel dazu stattfindenden Forschungsprozess generieren. Diesbezügliche Informationen werden noch bekannt gegeben.

Annette Tesarek und Philipp Levar

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