KUNSTRAUM AM SCHAUPLATZ

Ausstellung SHAPE
mit 
Eva­ma­ria Schal­ler, Ni­co­le Pru­cker­mayr, Jo­sef Wurm, Er­win Ste­fa­nie Po­sar­nig & CAR­ROT­TI

 

Das Glatte ist die Signatur der Gegenwart. Es verbindet Skulpturen von Jeff Koons, iPhone und Brazilian Waxing miteinander. Warum finden wir heute das Glatte schön? Über die ästhetische Wirkung hinaus spiegelt es einen allgemeinen gesellschaftlichen Imperativ wider. Es verkörpert nämlich die heutige Positivgesellschaft. Das Glatte verletzt nicht. Von ihm geht auch kein Widerstand aus. Es heischt Like. Der glatte Gegenstand tilgt sein Gegen. Jede Negativität wird beseitigt.

Der Ästhetik des Glatten folgt auch das Smartphone. Das Smartphone von LG G Flex ist sogar mit einer selbstheilenden Haut überzogen, die jeden Kratzer, also jede Verletzungsspur nach kürzester Zeit verschwinden lässt. Es ist gleichsam unverletzbar. Seine künstliche Haut hält das Smartphone immer glatt. Es ist außerdem flexibel und biegsam. Es ist leicht nach innen gebogen. So schmiegt es sich perfekt ans Gesicht und Gesäß. Diese Anschmiegsamkeit und Widerstandslosigkeit sind Wesenszüge der Ästhetik des Glatten.

Das Glatte beschränkt sich nicht auf das Äußere des digitalen Apparats. Auch die Kommunikation, die über

den digitalen Apparat erfolgt, wirkt geglättet, denn es werden vor allem Gefälligkeiten, ja Positivitäten ausgetauscht. Sharing und Like stellen ein kommunikatives Glättmittel dar. Negativitäten werden eliminiert, weil sie Hindernisse für die beschleunigte Kommunikation darstellen.

Jeff Koons, wohl der erfolgreichste Künstler der Gegenwart, ist ein Meister glatter Oberfläche. Andy Warhol bekannte sich zwar auch zur schönen, glatten Oberfläche, aber seiner Kunst ist noch die Negativität des Todes und des Desasters eingeschrieben. Ihre Oberfläche ist nicht vollständig glatt. Die Serie »Death and Disaster« etwa lebt noch von der Negativität. Bei Jeff Koons gibt es dagegen kein Desaster, keine Verletzung, keine Brüche, keine Risse, auch keine Nähte. Alles fließt in weichen, glatten Übergängen. Alles wirkt abgerundet, abgeschliffen, geglättet. Jeff Koons’ Kunst gilt glatter Oberfläche und ihrer unmittelbaren Wirkung. Sie gibt nichts zu deuten, zu entziffern oder zu denken. Sie ist eine Kunst des Like.

Jeff Koons sagt, der Betrachter seiner Werke möge nur ein simples »Wow« ausstoßen. Angesichts seiner Kunst ist offenbar kein Urteil, keine Interpretation, keine Hermeneutik, keine Reflexion, kein Denken notwendig. Sie bleibt bewusst infantil, banal, unbeirrbar entspannt, entwaffnend und entlastend. Sie ist jeder Tiefe, jeder Untiefe, jedes Tiefsinns entleert. So lautet sein Motto: »Den Betrachter umarmen«. Nichts soll ihn
erschüttern, verletzen oder erschrecken. Die Kunst ist, so Jeff Koons, nichts anderes als »Schönheit«, »Freude« und »Kommunikation«.

Angesichts seiner glatten Skulpturen entsteht ein »haptischer Zwang«, sie zu betasten, sogar die Lust, daran zu lutschen. Seiner Kunst fehlt die Negativität, die Distanz geböte. Allein die Positivität des Glatten löst den haptischen Zwang aus. Sie lädt den Betrachter zur Distanzlosigkeit, zum Touch ein. Ein ästhetisches Urteil setzt aber eine kontemplative Distanz voraus. Die Kunst des Glatten schafft sie ab.

Der haptische Zwang oder die Lutschlust ist nur möglich in der sinnentleerten Kunst des Glatten. Hegel, der emphatisch an der Sinnhaftigkeit der Kunst festhält, beschränkt das Sinnliche der Kunst daher auf die »theoretischen Sinne des Gesichts und Gehörs«.1 Sie allein haben den Zugang zum Sinn. Geruch und Geschmack werden dagegen vom Kunstgenuss ausgeschlossen. Sie sind empfänglich nur für das »Angenehme«, das nicht das »Schöne der Kunst« ist: »Denn Geruch, Geschmack und Gefühl haben es mit dem Materiellen als solchem und den unmittelbar sinnlichen Qualitäten desselben zu tun; Geruch mit der materiellen Verflüchtigung durch die Luft, Geschmack mit der materiellen Auflösung der Gegenstände, und Gefühl mit Wärme, Kälte, Glätte usf.«2 Das Glatte vermittelt nur ein angenehmes Gefühl, mit dem sich kein Sinn, kein Tiefsinn verbinden ließe. Es erschöpft sich im »Wow«………….

zit: Byung-Chul Han:
Die Errettung des Schönen

Projekt: 
VERORTEN 2016 : Mut und Erinnerung
kuratiert von erwin stefanie posarnig

KAVN in coop mit Kunstraum AM SCHAUPLATZ Wien /Praterstrasse 42

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